Diagnostika für den globalen Süden, Reportage zu Hepatitis C in der Mongolei und Engagement im Bundestag
Am 16.11. feierte der Memento Preis sein zehnjähriges Jubiläum. In diesem Jahr gab es Auszeichnungen in den Bereichen Medien, Forschung sowie Politik. Die feierliche Veranstaltung fand in Berlin in den Räumlichkeiten der Landesvertretung der Freien und Hansestadt Hamburg statt.
Seit seiner ersten Vergabe hat sich der Memento Preis weiterentwickelt. Der Fokus liegt nicht mehr allein auf vernachlässigten Tropenkrankheiten und den „großen Drei“, Malaria, HIV/AIDS und Tuberkulose. Stattdessen wurde der Blick geweitet, „vernachlässigte Gesundheitsbedürfnisse“ rückten in den Fokus. Dies bedeutet zum Beispiel auch, nicht-übertragbare Erkrankungen zu adressieren. Entsprechend berichtete zu Beginn der Preisverleihung Makhliyo Sobirova über die Situation von Menschen mit Diabetes Typ 1 in Usbekistan, welche vor Ort einem weit verbreiteten Stigma und zudem praktischen Versorgungsproblemen gegenüberstehen. Viele Usbek*innen verstecken ihre Erkrankung sogar vor nahen Angehörigen, so Sobirova. Sie lebt selbst seit 2006 mit Diabetes Typ 1 und spricht offen über den Umgang mit der Erkrankung in ihrem Blog. Sie möchte anderen Mut machen, die Sichtbarkeit der Krankheit erhöhen und auf strukturelle Probleme, wie die mangelnde Verfügbarkeit von Systemen zur kontinuierlichen Glukosemessung oder institutionelle Diskriminierung von Schüler*innen mit Diabetes Typ 1, aufmerksam machen.
Melissa Scharwey (Ärzte ohne Grenzen) betonte in ihrer Veranstaltungsmoderation, dass sich viele Ursachen der Vernachlässigung wichtiger Gesundheitsbedürfnisse trotz einiger Erfolgserlebnisse seit Gründung des Memento Preises kaum verändert haben. Es bedarf insbesondere der Lösung von politischen Zielkonflikten zwischen wirtschaftlichen Profitinteressen und einer gerechten globalen Gesundheitsversorgung, damit sich politische Entscheidungen an den Interessen der Menschen und Betroffenen ausrichten, vor allem auch in ärmeren Ländern. Insbesondere vulnerable Gruppen und der Zugang zu einer adäquaten Basisversorgung müssen dabei verstärkt in den Fokus gerückt werden.
Medienpreis 2023
Mit dem Recherchestipendium wurde in diesem Jahr der freie Journalist Martin Zinggl ausgezeichnet. Er möchte in seiner geplanten Reportage den langjährigen Einsatz der Ärztin Nara Dashdorj, ihre Heimat Mongolei von Hepatitis C zu befreien, begleiten. Obwohl viele Menschen in dem riesigen Land mit Hepatitis B, C und/oder D infiziert sind, wissen die meisten Patient*innen nicht von ihrem Status. Leberschäden werden oft erst erkannt, wenn es für eine Behandlung bereits zu spät ist. Zinggl nennt es „eine stille Epidemie“. Dashdorj operierte und informierte jahrelang, sorgte für breiter verfügbare Tests. Heute forscht sie, betreibt intensive Politikberatung und verhandelt erfolgreich mit Pharmaherstellern. In seinem durch das Stipendium finanzierten Projekt, möchte Zinggl die Nara Dashdorj portraitieren und ihren Einsatz gegen die „stille Epidemie“ in der Mongolei würdigen.
Forschungspreis 2023
Der Forschungspreis wurde an Prof. Dr. med. Jan Felix Drexler von der Charité – Universitätsmedizin Berlin für seine Forschung zu „Emerging Viruses“ verliehen. Dabei liegt sein Fokus auf der oftmals geringen Eignung und damit eingeschränkten Anwendbarkeit von Diagnostika im Globalen Süden, bei Erkrankungen durch beispielsweise das Zika- oder Chikungunya-Virus, aber auch Covid-19. Drexler betonte die Bedeutsamkeit akkurater Diagnostika, da z.B. falsch positive Testergebnisse zum Zika-Virus schwerwiegende Konsequenzen wie Schwangerschaftsabbrüche mit sich bringen, die vor allem in vielen lateinamerikanischen Ländern illegal sind und in der Folge oft gefährlich in der Durchführung. Auch die hohe Relevanz seines Einsatzes in der Praxis für die konkrete Entwicklung besserer Tests fand mit
dem Preis einen Ausdruck. Seit 2015 ist Drexler Professor, zunächst an der Universität Bonn, seit 2017 an der Charité – Universitätsmedizin Berlin am Institut für Virologie.
Politikpreis 2023
Der Politikpreis, welcher in der Regel alle zwei Jahre verliehen wird, ging in diesem Jahr an Tina Rudolph, Sprecherin für globale Gesundheit der SPD-Bundestagsfraktion. Seit 2021 ist die Politikerin Mitglied des Parlaments und setzt sich mit Nachdruck für eine gerechtere globale Gesundheitsversorgung
ein. Strukturelle Debatten müssen geführt werden, so die Preistragende, um gesellschaftliche Ungleichheit, Armut und weitere Herausforderungen durch unterversorgte Gesundheitssysteme anzugehen. Solidarität sei keine Einbahnstraße und es müsse sich gefragt werden, wie Ressourcen wie Impfstoffe zukünftig besser verteilt werden können. Der Globale Süden habe die eklatanten Ungerechtigkeiten der Versorgung in der Covid-19-Pandemie
nicht vergessen. Dabei zeige sich echte internationale Solidarität eben erst, wenn es „hart auf hart“ kommt. Umso wichtiger seien beispielsweise die aktuellen Prozesse rund um ein Pandemieabkommen, so Rudolph. Sie betonte den Einsatz für Gerechtigkeit als Triebfeder für ihren Einstieg in die Politik. Prominent hob sie in ihrer Dankesrede ein Zitat der Band „Die Ärzte“ hervor: „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt.“ Den Memento Politikpreis begreife sie als Ansporn für die weitere Arbeit.
Dieser Artikel erschien ebenfalls im Dezember 2023 im Pharma-Brief der BUKO Pharma-Kampagne.
Text: Svenja Jeschonnek
Bilder: tina:eichner
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